Changemanagement – am Beispiel der Inklusion in Schulen

Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention als Inklusion in Schulen wurde zum großen Streitpunkt in der Bildungspolitik. Sie ist eines der anspruchsvollsten, aber auch umstrittensten Reformvorhaben derzeit.

Schild mit der Aufschrift "Time for Change"

Der Text basiert auf Diskussionen der Mitglieder der Fokusgruppe Bildungspolitik der Heinrich-Böll-Stiftung.

In den vergangenen Landtagswahlen wurde die Bildungspolitik häufig als ein wichtiger Grund für Wahlverluste genannt. Es gibt den altbekannten Satz, dass man mit Bildungspolitik nie Wahlen gewinnen, sehr wohl aber verlieren kann. Vor allem die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention als Inklusion in Schulen wurde zum großen Streitpunkt. Sie ist eines der anspruchsvollsten, aber auch umstrittensten Reformvorhaben derzeit in der Bildungspolitik.

In den Medien und vonseiten der Lehrerverbände wird immer häufiger eine große Reformmüdigkeit im Bildungssystem konstatiert. Kritisiert wird in der Regel nicht der Grundgedanke oder das Anliegen der Reformvorhaben an sich, sondern die schlechte Umsetzung. Oft auch, dass sich die Politik wieder etwas ausgedacht habe, das die Beteiligten überfordere.

Nach dem PISA-Schock 2001 und in den folgenden Jahren hat es in der Tat zahlreiche Reformen gegeben, die darauf abzielten, die Leistungsfähigkeit des Schulsystems, vor allem aber die Schülerleistungen zu verbessern. Darunter fielen dann auch Reformen, mit denen Bildungspolitiker/innen in den jeweiligen Legislaturperioden Spuren hinterlassen wollten.

Um es anders auszudrücken: Der Druck auf die Politik erfordert häufig andere Zeithorizonte als sie den Schulen möglich sind. Dann zwischen notwendigen und überflüssigen Reformen zu unterscheiden, fällt häufig schwer.

Bildungspolitik ist wie kaum ein anderes Politikfeld auf Akzeptanz angewiesen, sind doch zu Recht die Eltern sehr empfindlich, wenn es um die eigenen Kinder geht. Auch wenn Eltern höchst unterschiedliche Interessen haben und Lehrerverbände nicht immer das Gemeinwohl in den Blick nehmen, empfiehlt es sich in der Bildungspolitik nicht, nur auf die parlamentarischen Mehrheiten zu setzen und Entscheidungen gegen relevante Minderheiten durchzusetzen.

Mann muss Eltern für Reformen gewinnen

Letzten Endes müssen Veränderungen von sehr vielen Akteuren und Akteurinnen umgesetzt werden. Wenn diese dies nur unwillig tun, erschwert das die Umsetzung und diskreditiert häufig die Reformen. Eltern finden fast immer Wege, unliebsame Entscheidungen zu umgehen, und ein Teil kann z.B. auf private Schulen ausweichen. Zudem gibt es gerade in der Bildungspolitik eine lange Tradition sehr ideologisch besetzter Auseinandersetzungen, die es schwer machen, Aushandlungsprozesse sachlich und nüchtern zu gestalten.

Diffamierungen wie z.B. in der Hamburger Debatte um die sechsjährige Grundschule – die Titulierung als „Gucci-Demonstranten“ auf der einen und die Charakterisierung der Reform als „Verbrechen an den Kindern“ auf der anderen Seite – vergiften das Klima und machen eine zivile Auseinandersetzung unmöglich. In der Bildungspolitik muss noch mehr als in anderen Politikfeldern mit Überzeugungen und Partizipation gearbeitet werden.

Deshalb ist es umso wichtiger, möglichst viele Akteure und Akteurinnen und gerade auch „bildungsnahe“ Eltern für Reformen zu gewinnen, auch wenn diese häufig Einzelinteressen vertreten, die nicht leicht in ein verträgliches Gesamtinteresse zu integrieren sind. Sie haben weitaus mehr Einfluss auf die Medien und die öffentliche Meinung und reklamieren ihr Recht auf Beteiligung sehr viel entschiedener, als es andere Bevölkerungsgruppen tun.

Ihre Rechte einzuschränken verschärft die politische Auseinandersetzung. Es führt kein Weg an intensiven Diskussionen und mühseligen Kompromissen vorbei, und natürlich muss alles versucht werden, um auch „bildungsfernere“ Eltern intensiver in die Entscheidungsprozesse einzubinden.  

Bildungspolitik: Klare Rahmen setzen und Betroffene verantwortlich beteiligen

Reformen im Bildungssystem sind durchaus möglich und es gibt gelungene Beispiele. Bildungseinrichtungen müssen auf gesellschaftliche Veränderungen reagieren, Bevölkerungsgruppen formulieren Ansprüche auf Teilhabe und größere Chancen, und auch das Selbstbewusstsein von Bürger/innen, mehr beteiligt zu werden, ist gestiegen. Die Umsetzung der UN-Behindertenkonvention mit dem Artikel 24 (Inklusives Bildungssystem) ist hierfür ein hervorragendes Beispiel.

Ob sie will oder nicht, muss die Politik diese Herausforderung annehmen. Die Frage ist, welche Bedingungen dazu beitragen können, die Akzeptanz für solche Veränderungen im Prozess zu sichern.

Aufgabe der Bildungspolitik ist es, Reformen plausibel zu begründen, klare Ziele zu benennen, Verantwortlichkeiten zu klären, vernünftige Rahmenbedingungen zu schaffen, für die notwendige Qualifizierung zu sorgen und Unterstützungssysteme bereitzustellen. 

1. Gesellschaftliche Veränderungen als Auslöser von Reformen

Am Beispiel der UN-Behindertenrechtskonvention heißt dies vor allem aufzuzeigen, dass sich nicht die Politik wieder etwas ausgedacht hat, sondern dass es Menschen mit Behinderungen und ihre Verbände waren, die diese Konvention durchgesetzt haben. Wichtig ist, dass es um die Rechte der Betroffenen auf Teilhabe geht, die darüber hinaus deutlich gegenüber den Bildungseinrichtungen formuliert werden und dass dies respektiert werden muss.

Unabhängig von der UN-Konvention, deren Folgerungen für die Entwicklung von inklusiven Schulen von einigen bestritten werden, gibt es eine weitere gesellschaftliche Entwicklung: Immer mehr Eltern wollen, dass ihre Kinder mit Behinderungen nicht in Sondereinrichtungen, sondern gemeinsam mit allen Kindern in Regelschulen lernen und aufwachsen können. Dem muss die Politik Rechnung tragen.

Es geht also bei der Umsetzung des Menschenrechts auf Inklusion nicht um das Ob, sondern um das Wie. Wichtig ist, dass die Betroffenen und möglichst viele Akteure bzw. Akteurinnen, die die Reformen umsetzen müssen, frühzeitig einbezogen werden. Die Herausforderungen müssen von den Akteur/innen vor Ort angenommen und die Konzepte am besten mit ihnen gemeinsam entwickelt, mindestens jedoch von ihnen nachvollzogen werden können.

Anforderungen von Eltern und Schüler/innen sollten aufgegriffen werden, damit Veränderungen nicht als abgehobene „Reform von oben“ erlebt werden. Lernen durch Erfahrung, Kontakte von Eltern und Lehrkräften mit und ohne Integrationserfahrung sind dabei sehr hilfreich. Nichts geht über Erfahrungen und eigene Anschauung.

Gelungene Beispiele für Inklusion gibt es inzwischen reichlich und vielfältig; die praktische Begegnung von „Inklusionsanfängern“ oder Skeptiker/innen mit gelebter inklusiver Schularbeit vor Ort durch Hospitationen oder Netzwerke kann helfen, Hemmschwellen zu überwinden. Dabei sollten Ängste und Vorbehalte ausdrücklich formuliert und am konkreten Beispiel überprüft werden können.

2. Anschlussfähigkeit von Reformen

Reformen müssen anschlussfähig sein. Das Gefühl von Überforderung entsteht vielfach aus dem Eindruck, alle bisherige Praxis sei falsch gewesen, und nun müsse alles anders gemacht werden; als ginge es um eine grundsätzliche Neuorientierung. Es sollte nicht so sehr das Neue, vielmehr die Anbindung an die bisherige Arbeit und deren Weiterentwicklung betont werden.

So gibt es hinsichtlich der gemeinsamen Erziehung von behinderten und nichtbehinderten Kindern in einigen Ländern fast 40 Jahre Erfahrung. Trotzdem wird Inklusion häufig als völlig neue Herausforderung angesehen. Es sollte mehr an die Erfahrungen zahlreicher Schulen angeknüpft werden und diese auch als positive Träger der Reformen einbezogen werden.

3. Klare Verantwortlichkeiten

Die Verantwortlichkeiten der verschiedenen Akteure und Akteurinnen müssen definiert und geklärt werden. Dies gilt für Fragen der Finanzen, der Steuerung und des Handelns im Prozess der Umsetzung.

4. Unterstützungssysteme

Reformkonzepte müssen nicht nur mit Akteuren und Akteurinnen gemeinsam erarbeitet werden, diese müssen auch dafür ausreichend qualifiziert werden, und es müssen passende und wirksame Unterstützungssysteme aufgebaut werden. Innerhalb und außerhalb der Schulen bedarf es darüber hinaus struktureller Veränderungen.

Beispiele dafür sind die Zentren für unterstützende Pädagogik (ZUP) in den Bremer Schulen und die Regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren (ReBUZ) bzw. die Schulpsychologischen und Inklusionspädagogischen Beratungs- und Unterstützungszentren (SIBUZ) in Berlin oder die Regionalen Bildungs- und Beratungszentren (ReBBZ) in Hamburg.

Wichtig ist, dass die Beteiligten vor Ort– Schulleitungen, Lehrkräfte, Erzieher/innen–, aber auch die Eltern wissen, an wen sie sich bei auftretenden Problemen wenden können und woher Unterstützung kommt. Wichtig sind  auch die Kohärenz und der koordinierte Einsatz verschiedener Unterstützer und Unterstützerinnen; dazu gehört eine verlässliche Kooperation von Schule, Jugendhilfe und Gesundheitsdiensten.

Diese Kooperation muss politisch durch klare Vorgaben strukturiert werden. Zu dieser Steuerung müssen auch Schulleitungen und Schulaufsicht bereit und in der Lage sein. Wichtig ist, über diesen Prozess zu informieren und Transparenz herzustellen.

5. Qualifizierung

Reformen müssen frühzeitig mit Programmen zur Qualifizierung von Pädagog/innen und anderem Personal eingeleitet und begleitet werden. Zur Qualifizierung sollten auch Netzwerke mit den schon erfahrenen Schulen genutzt werden.

Peer-to-Peer-Learning ist auch für die Schulentwicklung bedeutsam und mit Sicherheit wirksamer als so manche Anweisung per Rundschreiben durch die Verwaltung. Hospitationen im inklusiven Unterricht können für Inklusionsneulinge wirksame Lerneffekte erzeugen und sollten systematisch in den Qualifizierungskonzepten verankert werden.

6. Zeit

Reformen brauchen großzügige Zeithorizonte und müssen schrittweise angelegt sein. Grundlegende Veränderungen in der Schule brauchen in der Regel mindestens acht bis zehn Jahre, bei der Inklusion ist es eine Generationenaufgabe. Dies muss in der Planung berücksichtigt werden.

Aber auch für die Akteure und Akteurinnen vor Ort muss ausreichend Zeit für Konzepterarbeitung, Qualifizierung, für Kooperationen mit neuen Partnern (z.B. Lehrkräfte, Sonderpädagog/innen, Erzieher/innen, Schulverwaltung) zur Verfügung stehen. Soweit es geht, sollten dafür bereits bestehende Zeitkontingente oder Gremien genutzt werden, z.B. Teamsitzungen, Konferenzen etc. Langfristig bedarf es eines veränderten Arbeitszeitmodells, das Beratungszeit als Arbeitszeit für alle im multiprofessionellen Team ansetzt.

Vielfach wird immer noch viel Zeit auf Konferenzen mit Informationen und „Verkündungen“ vertan, die problemlos ohne reales Zusammentreffen der Empfänger und Empfängerinnen verbreitet werden können. Bei Bedarf sollen Schulen hierbei auf eine qualifizierte Entwicklungsberatung zurückgreifen können, die ihnen hilft, vertraute Routinen durch inhaltlich fokussierte Schulentwicklungsarbeit weiterzuentwickeln und zu verändern. Hier gilt, dass Qualität und Akzeptanz des Prozesses wichtiger sind als die Geschwindigkeit.

7. Aussicht auf positive Perspektiven

Reformen müssen von den Akteuren und Akteurinnen als leistbar und machbar angesehen und erlebt werden können - letzten Endes als eine Verbesserung der Arbeit, z.B. als bessere Förderung der Schüler/innen, als Kompetenzzuwachs der Lehrkräfte und – im besten Fall – als Arbeitsentlastung durch Professionalisierung.

Es sollten Win-Win-Situationen geschaffen werden. So kann die Verbesserung der Förderung der Schüler/innen mit dem Erleben der Lehrkraft - gut vorbereitet und unterstützt eine neue Anforderung erfolgreich meistern zu können - verknüpft sein. Auch Kooperationen mit neuen Partnern und Partnerinnen müssen als Gewinn erlebt werden (können) und als Erweiterung des eigenen Aktionsfeldes.

8. Ressourcen

Aufgabe der Bildungspolitik ist es, die Rahmenbedingungen für Reformen verlässlich zu gestalten und all diejenigen, die diese umsetzen, wirksam zu unterstützen und anzuerkennen. Dazu gehört auch eine sachgerechte Ausstattung mit Ressourcen. Vordergründig mag es so aussehen, dass die Unterrichtung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Regelschulen statt in Förderschulen kostenneutral sein könnte. Trotzdem braucht der Reformprozess selbst zusätzliche materielle und personelle Ressourcen.

Zum einen verringern sich nicht automatisch die Schüler/innenzahlen an den Förderschulen, wenn die Integration in der Regelschule zunimmt. In den meisten Bundesländern steigt die Förderquote insgesamt, und die Beschulung in den Förderschulen reduziert sich nur schrittweise oder bleibt sogar konstant. Dadurch entstehen zusätzliche Kosten, wenn parallel im System der Regel- und der Förderschulen unterrichtet wird.

Selbst wenn die Zahl der Schüler/innen in den Förderschulen abnimmt, können die Lehrkräfte nicht unmittelbar in gleichem Maße in den Regelschulen eingesetzt werden. Deshalb braucht es für einen längeren Übergangszeitraum mehr Ressourcen. Und auch die Unterstützung im Unterricht der Regelschule erfordert zusätzliche personelle Kapazitäten.

Ob die Zuweisung von Ressourcen über eine verlässliche Grundausstattung für die sonderpädagogische Förderung oder über die individuelle Statusdiagnostik vorgenommen wird, ist nicht die zentrale Frage. Vielmehr müssen die Ressourcen angemessen sein und ihre Zuteilung muss auch für alle Beteiligten transparent sein.

Es hält sich hartnäckig die Behauptung, Inklusion sei ein Sparmodell. Dies ist ganz sicher derzeit in Deutschland nicht der Fall. Die Ressourcen mögen vielen nicht ausreichend erscheinen, das ist aber eine andere Frage.

9. Schul- und andere Verwaltungsebenen

Die Steuerungsebenen müssen die Reformen mittel- und langfristig sorgfältig planen, in den rechtlichen, finanziellen und personalpolitischen Konsequenzen durchdenken, sie inhaltlich unterstützen und ihren Teil der Verantwortung bei der Umsetzung aktiv und bewusst wahrnehmen.

Dazu müssen sie vorab in die Strategieentwicklung der politischen Ebene einbezogen sein. Relevant erscheint auch die genauere Bestimmung von Rolle, Aufgaben und Arbeitsweisen aller Beteiligten, d.h. die Veränderung der Rolle der Schulleitung, die der Unterstützungsebenen und die der Schulaufsicht, die in Veränderungsprozessen mehr Beratung und Unterstützung und nicht in erster Linie Anweisung und Kontrolle leisten muss.

Je klarer erkennbar wird, dass auch die Schulaufsicht das ihre tut, um Inklusion zu fördern, je konkreter sie die Einzelschule dabei beraten und unterstützen kann, desto größer sind die Chancen, dass auch die Einzelschule ihre Verantwortung in diesem Prozess annimmt und umsetzt. Ihre Aufgabe ist es auch, Probleme im Prozess zu identifizieren und Lösungen mit zu entwickeln.

Auch auf der Ebene der Verwaltung, der Schulaufsicht, dürfen neue Kooperationen nicht auf Dauer mit zusätzlichen Gremien und Sitzungen verbunden sein. Gerade für die Entwicklung zur inklusiven Schule wird die Kooperation von Partnern und Partnerinnen aus Schule und Jugendhilfe und auch Gesundheitsexperten und -expertinnen besonders wichtig.

Dies ist vielfach als Notwendigkeit anerkannt, aber noch immer nicht wirksam und als selbstverständlich umgesetzt. Wenn diese Kooperation durch neue, vor allem zusätzliche Gremien gewährleistet werden soll, führt das häufig zu Mängeln in der Akzeptanz, da mit weiteren Steuerungsrunden, Lenkungsgruppen etc. auch zusätzliche Sitzungszeiten und Berichtspflichten entstehen.

Wichtiger ist, die bestehenden Strukturen so zu ändern, dass neue Aufgaben ohne allzu großen Zusatzaufwand angenommen werden können. So können z.B. klassische Verwaltungshierarchien in Projektgruppen oder Taskforces umgewandelt werden. Oder auch klassische Versäulungen aufgegeben und die Zuständigkeit für Schule und Jugend in einem Ressort zusammengefasst werden. Dazu wird es temporär Prozessbegleiter/innen brauchen, die für eine begrenzte Zeit beratend tätig sind, um die Entwicklung neuer Routinen zu unterstützen.

10. Akteure vor Ort: Netzwerke schaffen und nutzen

Zur Professionalität von Schulleitungen, Lehrkräften und dem gesamten pädagogischen wie nichtpädagogischen Personal gehört es, gesellschaftliche Veränderungen, wie sie sich bei Eltern und Schüler/innen zeigen, wahrzunehmen und ihr pädagogisches Handeln und die Organisation danach auszurichten.

Unbeschadet der Tatsache, dass die Rahmenbedingungen politisch geschaffen werden müssen, ist es Aufgabe der Akteure und Akteurinnen vor Ort, ihre Arbeit selbstwirksam zu gestalten. Dazu muss es sowohl in der Aus- als auch der Fortbildung Angebote geben. Vor Ort sollten Netzwerke von Schulen und ggfs. anderen Einrichtungen geschaffen werden, die das Lernen voneinander ermöglichen, aber auch anregen und einfordern. Eingeforderte Qualifizierungsangebote müssen dann auch angenommen werden.

Auch innerhalb der Schule muss es klare Zuständigkeiten für die Entwicklung zur inklusiven Schule geben. Die Zentren für unterstützende Pädagogik (ZUP) in Bremen sind dafür ein Beispiel, und auch in Berlin sollen entsprechende Zentren aufgebaut werden. Wichtig ist, dass die Akteurinnen und Akteure vor Ort die Fortbildungs- und Unterstützungsangebote zur Schulentwicklung nutzen.

Neben geforderten Kooperationszeiten, die zur Verfügung gestellt werden müssen, muss auch nach Wegen gesucht werden, wie die vorhandene Arbeitszeit besser für die Schulentwicklung genutzt werden kann. Sind alle Konferenzen und Dienstbesprechungen gleichermaßen effektiv und optimal genutzt oder gibt es hier Reserven?

Ebenso müssen alle Beteiligten – Lehrkräfte, Erzieher/innen, in Assistenzberufen Beschäftigte sowie Eltern (ob mit oder ohne Kinder mit Behinderungen) und Schüler/innen – in die Entwicklung einbezogen werden.

Die Kooperation mit anderen Partnern wie Jugendhilfe und Gesundheitsdienste sowie die Arbeit in multiprofessionellen Teams wird zum pädagogischen Alltag gehören müssen.

Fazit für die Bildungspolitik

  • Komplexe Reformen müssen sorgfältig geplant werden, sowohl auf der konzeptionellen, der finanziellen, organisatorischen und personellen Ebene. Gleichzeitig muss eine beteiligungsorientierte Nachsteuerung frühzeitig mitgedacht werden.
  • Reformen müssen anschlussfähig sein. Es sollte nicht so sehr das Neue, sondern die kontinuierliche Verbesserung schon begonnener Entwicklungen betont werden.
  • Reformen müssen plausibel sein. Transparenz, Information und Kommunikation in der Prozessgestaltung sind zentrale Bedingungen für das Gelingen.
  • Verantwortlichkeiten müssen eindeutig geklärt werden.
  • Die Planung und Umsetzung muss unter Einbeziehung der Akteurinnen und Akteure vor Ort gestaltet werden. Partizipation und Kooperation sind ebenfalls Bedingungen für einen Erfolg.
  • Die Reformen müssen machbar sein und für die Beteiligten als leistbar verstanden und erfahren werden – im Sinne von Selbstwirksamkeit und Professionalität des eigenen Handelns.
  • Reformen brauchen einen langen Atem. Qualität geht vor Schnelligkeit.
  • Und dennoch: Ohne Brüche, Interessenskonflikte, Kompromisse, Verzögerungen und strukturelle Ungleichzeitigkeiten wird es nicht gehen.